Tschechoslowakischer Wolfshund
Erziehung
Der TWH ist sicher kein Anfängerhund. Was nicht heißt, dass er besonders schwierig wäre, sondern
einiges an Hundeerfahrung, Platz und viel Zeit erfordert. Er kann nicht in einer Etagenwohnung
gehalten werden, von jemandem, der täglich acht Stunden oder mehr außer Haus ist.
Wie bei allen großwüchsigen Hunden, die schon allein durch ihre Kraft manchen Menschen überlegen
sein könnten, muss die Erziehung mit aller Konsequenz und nötiger Autorität erfolgen, wobei auch
hier der Grundsatz gilt: Lob, also positive Verstärkung, ist erfolgreicher als Strafe. Wichtig
auch, das Wort Autorität nicht miss zu verstehen! Sie bedeutet liebevolles aber bestimmtes
Aufzeigen von Grenzen, Geboten und Verboten und hat nichts, aber auch rein gar nichts mit
Despotismus zu tun. Der TWH ist , seines robusten und imposanten Äußeren zum Trotz, sensibel
gegenüber Ungerechtigkeit und Anschreierei.
Jeder normale, gesunde Hund wird darauf bestenfalls mit Angst und Flucht vor seinem Herrn reagieren,
aber niemals mit Gehorsam. Ein selbstbewusster Hund wird sich irgendwann auflehnen. Wozu das unter
Umständen führen kann, muss hier nicht geschildert werden.
Der TWH ist selbstbewusst. Er weiß um seine souveräne Ausstrahlung und hat es in der Regel nicht
nötig, drohend seine Überlegenheit zu demonstrieren.
Wird er über einen längeren Zeitraum falsch
gehalten, schlecht behandelt oder gar misshandelt, wird er sich das merken.
Von Natur aus gutmütig wird er zunächst versuchen, zu beschwichtigen. Er will ja nichts lieber,
als seinem Herrn gefallen. Kommt er damit nicht zum Erfolg, wird er sich wehren und zeigt ein
ganz anderes Gesicht.
Auch ein hochgewachsener, kräftiger Mann sollte nicht dem Irrtum erliegen, dass so ein Hund viel
kleiner und mit weit weniger Kampfgewicht daherkommt!
Die Natur hat ihn ganz anders konzipiert und was ihm an Masse fehlt, macht er durch Wendigkeit
und Reaktionsschnelligkeit mehr als wett. Außerdem ist er im wahrsten Sinne des Wortes bewaffnet
bis an die Zähne!
Um alle seine vielen guten Anlagen zur Entfaltung zu bringen, ist es wichtig, ihn von Welpenbeinen
an in allen Lebensbereichen gute Erfahrungen machen zu lassen, auch natürlich im Umgang mit
anderen Hunden.
Behutsam sollte man ihn an Situationen gewöhnen, in denen er mit vielen Menschen, Unruhe oder
lauten, plötzlichen Geräuschen konfrontiert sein wird. Unbekannte Menschen sollten ihm gegenüber
nicht aufdringlich sein, sondern ihm die Chance eines langsamen, behutsamen Kennenlernens geben,
bei dem er selbst den ersten Schritt machen darf. Eine Angelegenheit, zu deren Verständnis natürlich
der Hundehalter gefragt ist.
Ebenso wie seine Urmutter, die Wölfin Brita und viele weitere Wölfe, reagiert er von Natur aus
äußerst sensibel und manchmal ängstlich auf die Reizüberflutung der menschlichen Gesellschaft.
Ist es einem aber einmal gelungen, ihm diese Scheu zu nehmen (und das so früh wie möglich) wird er
ein wahrer Menschenfreund sein. Vor allem Kindern gegenüber ist er sehr aufgeschlossen und gutmütig,
behandelt sie mit Geduld und Nachsicht, so, wie er auch jeden Welpen behandelt.
(Anmerkung: Hündinnen sind häufig fremden Welpen gegenüber weit weniger duldsam.)
Da dieser Hund später in die Pubertät kommt als andere Rassen und seine vollständige Reife erst im
Alter von etwa drei Jahren erlangt (auch hier zeigt sich der Wolf in ihm), ist die Erziehung eine
langwierigere Angelegenheit. Hündinnen werden oft nur einmal im Jahr läufig.
Wie Menschenkinder auch, wird er vor allem in der Pubertät immer wieder zum Teil hartnäckig
austesten, ob gesetzte Grenzen nicht doch überschritten werden können. Vor allem jetzt sind Geduld,
Konsequenz und ebenfalls Hartnäckigkeit vom Besitzer gefragt. Es ist noch kein schwerwiegender
Erziehungsfehler, mal aus welchem Grund auch immer, eine Ungehörigkeit des Hundes nicht gleich zu
ahnden. Geschieht das aber gehäuft, gelangt der Hund unweigerlich früher oder später zu der
Überzeugung, doch zur Führungspersönlichkeit geboren zu sein. Nicht unbedingt, um den Menschen zu
unterdrücken, sondern, weil er ihn selbst als zu schwach und unfähig erkannt hat, um diesen zu
führen und zu leiten. Der Hund wird nun dem Menschen Grenzen aufzeigen und, weil er seiner Aufgabe
in einer Menschenwelt gar nicht gerecht werden kann, unzufrieden, unglücklich und letztendlich
unberechenbar werden.
Zu beachten ist weiterhin ein ausgeprägter Jagdtrieb in Verbindung mit enormer Körperkraft und
Ausdauer, die, wenn dieser Hund nicht zur Jagd eingesetzt werden soll, auf andere Weise befriedigt,
bzw. kompensiert werden muss. Tests haben ergeben, dass TWHs mühelos in der Lage sind, 100km am
Stück im Lauftempo zurückzulegen, mit anschließender erstaunlich kurzer Rekonvaleszenzdauer.
Mit Spaziergängen an der Leine ist es also nicht getan.
Beute zu machen ist für ihn als Raubtier ein so selbstverständlicher Bestandteil seiner Natur, dass
er ein bloßes Verbot desselben als Irrtum unsererseits bewerten und kaum beachten wird, wenn er
nicht wohl erzogen ist. Auch verschafft ihm das an der Leine laufen, nicht die nötige Bewegung, die
er dringend braucht, um sowohl körperlich, als auch seelisch ausgelastet zu sein. Es ist hilfreich,
ihn vor Spaziergängen eine halbe Stunde sich im sicher umzäunten Garten austoben zu lassen.
Er braucht viel Beschäftigung. Letzteres auch in geistiger Hinsicht.
Er ist überdurchschnittlich
intelligent und lernbegierig und will eine sinnvolle Aufgabe, die ihn befriedigt. Er lernt gern und
schnell, wenn man versteht, ihn zu motivieren, allerdings wird er sich konsequent weigern, seiner
Meinung nach unsinnige Befehle auszuführen oder stupide Wiederholungsübungen auszuführen. Einfaches
Stöckchen apportieren ist nicht seine Sache, wenn man es nicht mit interessanten Suchspielen
verbindet. Bietet man ihm die Möglichkeit geistiger Entfaltung nicht, wird er sich unweigerlich
seine Beschäftigung selbst suchen und das selten zur Freude seiner Besitzer. Sich selbst überlassen
kann er ein kaum vorstellbares Zerstörungspotential an den Tag legen.
Wolfshunde sind obendrein sehr wohl in der Lage, durch bloßes Beobachten zu lernen. In kürzester
Zeit wissen sie, Türen, Fenster, Schränke, etc. zu öffnen.
Selbst der Gebrauch von Schlüsseln ist ihnen bald kein Geheimnis mehr, wenn sie Gott sei Dank auch
feinmotorische Probleme haben, diese zu benutzen! Mit Drehknäufen werden viele dagegen mühelos
fertig.
Sollte daher vorübergehend ein TWH einmal eingesperrt werden müssen, sollte das Gehege absolut
ausbruchsicher sein. Ein frei auf der Strasse herum laufender Wolfshund mag noch so friedlich sein,
allein seine Gestalt wirkt auf viele Menschen furchteinflößend, auch hat sich selbst in unseren
Tagen das “Böse-Wolf-Syndrom” erstaunlich gut gehalten. Viel schlimmer ist aber, das der Hund
einen Unfall verursachen könnte.
Das Problemlösungsverhalten ihrer wölfischen Vorfahren befähigt
sie zu Ausbruchsphantasien, die die menschliche weit übersteigen. Zwei Meter hohe Zäune oder Mauern
sind kein wirkliches Hindernis. Maschendraht oder Holzeinzäunungen halten auf Dauer der Kraft ihres
Gebisses nicht stand. Was nicht übersprungen oder überklettert werden kann (auch hierin sind sie
sehr geschickt), wird untertunnelt, wenn die Absperrung nicht mindestens einen halben Meter tief in
den Boden eingelassen ist.
Hat man ein solches (in aller Regel sehr teures) Gehege, muss man sich auf sein ausdauerndes,
lautstarkes Heulkonzert gefasst machen, das, wenn man es selbst in Abwesenheit schon nicht
mitbekommt, die wenigsten Nachbarn zu Begeisterungsausbrüchen veranlasst.
Dieser Hund bleibt schlecht und ungern allein. Zwar kann man ihn daran gewöhnen, aber er wird stets
unter der Abwesenheit seiner Bezugspersonen leiden.
Die Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten, sowohl mimisch und gestisch, als auch “verbal” ist
beeindruckend und kommt denen der Wölfe sehr nah. Wer es versteht, seine Sprache zu erlernen, hat
viele Möglichkeiten, mit ihm zu kommunizieren. Bellen kann dieser Hund zwar auch, tut es aber so
gut wie nie.
All dies macht ihn sicher nicht zu einem leicht zu haltenden Hund. Bringt man aber den notwendigen
Platz, das Verständnis, Geduld und Liebe für dieses wunderbare Geschöpf auf, wird man belohnt mit
einem absolut treuen, zuverlässigen und loyalem Partner, der für den Menschen, dem er seinen ganze
Liebe schenken kann, buchstäblich durchs Feuer gehen würde.
Hierin liegt noch eine letzte Warnung:
Haben Sie sich nach gründlicher Überlegung für diesen Hund entschieden, hüten Sie sich davor, in
seiner Gegenwart offensichtlich mit jemandem in Streit zu geraten. Glaubt er seinen Herrn bedroht,
greift er durchaus auch ungefragt ein!